Stephanie Metzgers Kritik in br2 hör!spiel!art.mix am 06.03.2015: Beeindruckend klug und sensibel…

Posted by on Mrz 7, 2015 in Allgemein | No Comments
Stephanie Metzgers Kritik in br2 hör!spiel!art.mix am 06.03.2015: Beeindruckend klug und sensibel…

… Marilyn Janssens Hörspiel ist  eine Art kollektive Erzählung.  In sommergras (1995-2014) mischen sich 12 Sprecher, 12 Aufnahmesituationen und 12 Stimmungen. Ganz reduziert und konzentriert auf die Stimme lesen die Sprecher einen Text. Er ist 1995, von der damals Anfang 30jährigen Marilyn Janssen, die als Sounddesignerin, Autorin und Regisseurin in Köln lebt und arbeitet, in New York geschrieben worden. Fragmentarische Notizen und Beobachtungen, deutsch und englisch, notiert auf Papierservietten. Neugier auf die Welt, auf die Menschen und gleichzeitig das Gefühl von Einsamkeit, Melancholie und Orientierungslosigkeit mischen sich in diesem Text, den die Autorin als „Scream of Consciousness“ bezeichnet hat. Den von einer einzelnen Person ausgehenden poetischen Text vergibt die Autorin ein Jahr nach seiner Entstehung an 12 einzelne Sprecher und Sprecherinnen. Sie nimmt die Lesungen in den Privatwohnungen der Mitwirkenden auf, um sie dann 2014, fast 20 Jahre später, zu einer kollektiven Erzählung zu montiert. Wo die ursprüngliche Schreibsituation und auch die Situation der Sprachaufnahmen noch von Intimität und Einzelgängertum geprägt waren, stiftet der Text jetzt Gemeinschaft, wird zur kollektiven Erzählung und damit auch exemplarisch. Vor allem aber ergibt sich ein klanglicher Wortteppich, in dem sich Singuläres, Individuelles vielleicht auch Authentisches vermittelt. Die ganz verschieden Stimmen und Stimmungen, die unterschiedlichen Sprechhaltungen und der Fluss des Textmaterials erzeugen ein Hörstück mit Momenten, die einem ganz nah kommen. Die formulierten Gedankenfetzen glauben wir zu kennen. Aber nicht, weil sie uns abgedroschen und von einer äußeren Welt tausendfach reproduziert erscheinen, sondern weil sie wie unsere eigenen wirken, intim und originär. Sie streifen unser Inneres, berühren uns und bleiben doch ganz unwirklich und flüchtig. Wie zartes Sommergras auf der Haut, wie rauschende Grashalme im Wind. …

Stephanie Metzger, br2, 6.3.2015